Kapitelübersicht - Ökologische Zeiten - Das Grüne Band

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Das Grüne Band

 

Michail Gorbatschow mit Grüne Band-Anteilschein

 

DDR-Grenzpfahl in Brache

 

Wege der Erinnerung

  1. Vorgeschichte
  2. Die Vorbereitungen
  3. Gründung in Hof im Dezember 1989
  4. Die ersten Schritte auf dem Weg zum Grünen Band
  5. Rückschläge und der Verkauf an die Alteigentümer
  6. Der Durchbruch mit dem Jahrtausendwechsel
  7. Gründung des Grünen Bandes Europa
  8. Ausblick

 

Verwandte Themen

Waldsterben, Das Naturdenkmal, Die Lüneburger Heide, Heimat

 

Literatur

Andrew Terry, Karin Ullrich and Uwe Riecken, The Green Belt of Europe, From Vison to Reality, Cambridge 2006.


Barbara Engels, et al., "Perspectives of the Green Belt", Chances for an Ecological Network from the Barents Sea to the Adriatic Sea?, Bonn 2004.


Bundesamt für Naturschutz 2002, URL: http://www.bfn.de/0202_gruenes_band.html (Stand: 10.01.2012).


Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, Reihe Umweltpolitik, Bonn 2007.Seite:112.


Kai Frobel, Uwe Riecken und Karin Ulrich, "Das Grüne Band"- das Naturschutzprojekt Deutsche Einheit in: Natur und Landschaft, Heft 9/10, 84. Jahrgang 2009.Seite 399 - 403.


Silke Mende, Nicht rechts, nicht links, sondern vorn, Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011.Seite 267.


Till Meyer, Liana Geidezis, Kai Frobel, The Green Belt of Germany, in: International Journal of Wilderness, Nummer 17, April 2011.Seite 32 - 37.


Uwe Aulich, Claudia Fuchs in: Berliner Zeitung 2009, URL: http://www.berliner-zeitung.de/ archiv/-jetzt-waechst-zusammen --was-zusammengehoert-, 10810590,10685862.html (Stand: 13.01.2012).

 

Fußnoten

[1] Kai Frobel, Uwe Riecken und Karin Ulrich, "Das Grüne Band"- das Naturschutzprojekt Deutsche Einheit, in: Natur und Landschaft Heft 09/10, 2009, S. 399.


[2] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, Reihe Umweltpolitik, Bonn 2007, S. 112.

 
[3] Frobel, Riecken, Ulrich, S. 400.

 

[4] Silke Mende,Nicht rechts, nicht links, sondern vorn, Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München 2011, S. 267.

 

Bildnachweise

Klaus Leidorf, Luftbild Grünes Band Thüringen (Mackenrode, südliches Harzvorland).


Jürgen Schmidl 2002, Michail Gorbatschow mit Grüne Band-Anteilschein während Einweihung des "WestÖstlichen Tores".


Kai Frobel, Bund Naturschutz in Bayern e.V., DDR-Grenzpfahl in Brache.

 

 

Das Grüne Band ist heute wohl eines der anspruchsvollsten Naturschutzprojekte Deutschlands. Es umsäumt die ehemalige innerdeutsche Grenze entlang der Fläche, die sich zwischen Kolonnenweg und Staatsgrenze erstreckt. Dabei berührt es auf seinen 1393 Kilometern Länge neun Bundesländer, 38 Landkreise sowie zwei kreisfreie Städte und umfasst eine Fläche von 177 Quadratkilometern.[1] Es reicht von der Ostseeküste im Norden bis zum Dreiländereck Sachsen-Bayern-Tschechien im Süden. Die Bundesregierung weist das Grüne Band innerhalb ihrer Biodiversitätsstrategie als Leuchtturmprojekt aus. Sie benennt es als "eines der wenigen Projekte zum Schutz der biologischen Vielfalt mit einer nationalen Dimension".[2] Inzwischen ist das Projekt Grünes Band zum größten Artenschutzprojekt und Biotopverbund in Europa angewachsen.

 

 

1. Vorgeschichte

Aufgrund der dünnen Besiedlung entlang der innerdeutschen Grenze und der zusätzlichen Entvölkerung auf östlicher Seite konnte sich über vier Jahrzehnte im Schatten des eisernen Vorhangs eine in Europa einzigartige biologische Vielfalt entwickeln.
Vor diesem Hintergrund wurden erste gezielte ornithologische Beobachtungen Mitte der 1970er Jahre im oberfränkischen Steinachtal unternommen. Daran anschießend wurde in den Jahren zwischen 1979 und 1984 bei einer ornithologischen Rasterkartierung eines 1005 Quadratkilometer großen Landschaftsraumes auch ein 140 Kilometer langes Teilstück auf DDR-Seite untersucht. Bei ebenjener Kartierung wurde deutlich, welch seltene und bedrohte Vogelarten im Grenzstreifen in außergewöhnlich hoher Dichte brüteten. In dieser Zeit bemühte sich der Bund Naturschutz e.V. in Bayern um erste Flächenankäufe und Eingaben zur Sicherung der Biotope.

 

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2. Die Vorbereitungen

Ende der 1980er Jahre reiste Karl-Heinz Hiersemann in seiner Funktion als Spitzenkandidat der bayerischen SPD mit einer Delegation in die ehemalige DDR. Mitglied der Delegation war der damalige Landesbeauftragte des Bund Naturschutz in Bayern e.V. Prof. Dr. Hubert Weiger. Ziel der Reise war, an der grenzüberschreitenden Luftreinhaltung und der akuten Problematik des Waldsterbens beiderseits der Grenze zu arbeiten. Während dieser Delegationsreise fand ein Gespräch mit dem Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär des Zentralkomitees der DDR, Erich Honecker, statt. Bei diesem Gespräch entstand die Idee, Kontakt mit Naturschützern im Kulturbund aufzunehmen. Vorsitzender der Gesellschaft für Natur und Umwelt des Kulturbunds in der DDR war Prof. Dr. Harald Thomasius von der forstwissenschaftlichen Fakultät der TU Dresden.

 

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3. Gründung in Hof im Dezember 1989

Nach der Delegationsreise hatten Akteure des Bund Naturschutz ca. 30 Adressen von Naturschützern aus der DDR und den angrenzenden nordbayerischen Gemeinden gesammelt. Kurz nach dem Mauerfall erfolgte eine Einladung nach Hof ins Hotel Eisvogel für den 9. Dezember 1989. Die Veranstaltung war eigentlich als kleiner Auftakt konzipiert, jedoch wurden die Organisatoren von über 400 Teilnehmern überrascht. Weiger hielt einen Einführungsvortrag über "Erfahrungen eines westdeutschen Naturschützers". Doch im Verlauf des Abends wurde deutlich, dass sich Beobachtungen, Erfahrungen und Eindrücke beiderseits der Grenze nicht sehr unterschieden.
Der folgende Resolutionstext wurde ohne Enthaltung einstimmig verabschiedet:


"Der Grenzstreifen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik ist als grünes Band und ökologisches Rückgrat Mitteleuropas vorrangig zu sichern, d.h. es muss umgehend eine einstweilige Sicherstellung dieser Gebiete in der DDR und BRD erfolgen. Darüberhinaus sollen großflächige grenzüberschreitende Schutzgebiete errichtet oder miteinander vernetzt werden. Die Detailkonzeption sollte vom Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz (IUN) und von der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie (BFANL) durchgeführt werden. Bei der Detailkonzeption sind die Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung zu berücksichtigen. Diese Forderung ist keine nachträgliche Rechtfertigung der Grenze."[3]


Die Verabschiedung dieser Resolution und die vereinbarte Zusammenarbeit kann als Geburtsstunde des grenzübergreifenden Naturschutzes in Deutschland angesehen werden.

 

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4. Die ersten Schritte auf dem Weg zum Grünen Band

"Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört" – diesen Spruch hatte Willy Brandt nach dem Fall der Berliner Mauer geprägt. Für den Biotopverbund Grünes Band trifft dieser viel zitierte Leitspruch wohl am besten zu: Auf Seiten der Umweltverbände ergriff unmittelbar nach der Wende vor allem der Bund Naturschutz in Bayern e.V. als Landesverband des BUND die Initiative. Es wurde ein Antrag beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) auf finanzielle Unterstützung der Kartierungsarbeit gestellt und wenig später genehmigt.
Im Jahr 1990 wurden der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. und der Bund Naturschutz von den Umweltministerien Bayerns, Thüringens und Sachsens mit der faunistischen Kartierung des ca. 422 Kilometer langen Südstreifens beauftragt. Die Untersuchungen bestätigten die Ergebnisse der ersten Kartierungen vor der Wende.

 

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5. Rückschläge und der Verkauf an die Alteigentümer

Mit dem Jahr 1996 trat das vom Bundestag beschlossene "Mauergrundstücksgesetz" in Kraft. Dies beinhaltete den Rückverkauf der Flächen zu ermäßigten Preisen an die früheren Eigentümer. Nach Abwicklung der Rückübertragung blieben nur noch ca. 50% der Fläche bundeseigen. Diese sollte jedoch auf dem freien Markt zum Verkauf angeboten werden. Interventionen von Seiten des Bundesumweltministeriums sowie der Landesumweltministerien blieben erfolglos. Mit den Verkaufserlösen wurde ein Fonds gegründet, der für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Zwecke in den neuen Bundesländern verwendet werden sollte. Außerdem sorgten großflächige Umbrüche von Brachflächen in Ackerland und vermehrter Straßenbau im ehemaligen Grenzstreifen für empfindliche Störungen und irreversible Schäden.

 

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6. Der Durchbruch mit dem Jahrtausendwechsel

Im Juni des Jahres 2000 fand der 25. Deutsche Naturschutztag in Bamberg unter dem Motto "Grenzenloser Naturschutz" statt. Mit einer einstimmigen Resolution forderten die Teilnehmer den sofortigen Stopp der Grundstücksverkäufe durch das Bundesfinanzministerium. Stattdessen sollten die Flächen den Ländern oder Naturschutzverbänden überlassen werden. Durch diese Weichenstellung traten das Bundesministerium für Umwelt (BMU) sowie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) stärker in die Verantwortung.
Im Jahr 2000 wurde Prof. Dr. Hartmut Vogtmann zum Präsidenten des BfN ernannt. Zu dieser Zeit wurden die Kartierungen in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter des BfN Dr. Uwe Riecken zusammengeführt und die Arbeiten am Grünen Band von Seiten des BfN intensiviert. Der BUND führte im Namen des BfN das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E+E Vorhaben) "Bestandsaufnahme Grünes Band" durch. Das BfN förderte von April 2001 bis Juni 2002 das Kartierungsprojekt mit 400.000 €. Die Ergebnisse der Kartierungen wurden vielfach beachtet und publiziert. Nach wie vor ist das BfN über Fachtagungen, wissenschaftliche Publikationen und Konzeptionsarbeit sehr stark an der Entwicklung des Grünen Bandes involviert.

 

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7. Gründung des Grünen Bandes Europa

Bereits in den 1970ern wurde innerhalb der Ökologiebewegung der Gedanke eines durch Lebensräume verbundenen Europas entwickelt und formuliert. So schrieb im Jahr 1976 der Vordenker der Ökologiebewegung Carl Amery an Hubert Weinzierl, den Vorsitzenden des Bundes Naturschutz in Bayern, dass "wir aus unseren regionalen Schneckenhäusern heraus müssen, daß es nicht um ein Europa der Vaterländer, sondern der Heimaträume geht.".[4]
Ende der 1990er Jahre intensivierte der bayerische Landesverband des BUND, der Bund Naturschutz in Bayern e.V., die Bemühungen um das Grüne Band. Ein eigenes Büro mit festangestellten Mitarbeitern wurde in Nürnberg eröffnet. Im Juni 2002 fand zudem im niedersächsischen Duderstadt/Teistungen die Eröffnung des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Landartprojektes "West/Östliches Tor" statt. Die Veranstaltung führte Anteilsscheine für das Projekt eines europäischen Grünen Bandes ein: Anlässlich des Festaktes wurde Michail Gorbatschow neben einem Anteilsschein die Schirmherrschaft für das europäische Grüne Band angetragen. Aufgrund der Annahme des Angebotes durch den ehemaligen Präsidenten der Sowjetunion kann dieser Festakt als Geburtsstunde der europäischen Dimension des Grünen Bandes gesehen werden.
Im darauffolgenden Jahr wurde das Grüne Band Europa auf einer ersten internationalen Tagung von BfN und BMU auch offiziell ins Leben gerufen und festgeschrieben. Mittlerweile verläuft das Grüne Band Europa von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer durch 23 Nationen auf einer Länge von über 12.500 Kilometern. Für die Betreuung der Flächen sind die Organisation Baltic Fund for Nature, Euronatur und der BUND zuständig. Koordinierend tätig ist hierbei auch die International Union for Conservation of Nature (IUCN) Europa. Das Grüne Band Europa verbindet somit nicht nur europäische Nationen, sondern von der lokalen bis zur internationalen Ebene Initiativen, Organisationen und Stakeholder.
Die Tagung von BfN und BMU war auch in einem weiteren Punkt für den deutschen Umwelt- und Naturschutz relevant: So machten Bundesfinanz- und Bundesumweltministerium auf der Tagung das Angebot, die Grüne-Band-Flächen für Naturschutzzwecke an die Länder zu übertragen. Das Angebot stieß nicht auf sofortige Gegenliebe der Länder, denn hiermit fiel der Verkaufserlös für die Flächen weg. So galt es für die Bundesländer, sich zwischen monetären und naturschutzrelevanten Aspekten zu entscheiden. Die wegweisende Entscheidung fällte hierbei das Land Thüringen, das sich als erstes für den Naturschutz und gegen finanzielle Interessen entschied.
Im Koalitionsvertrag der großen Koalition aus dem Jahr 2005 wurde das Grüne Band erstmals explizit erwähnt und mit der kostenlosen Übertragung aller Bundesflächen des "Nationalen Naturerbes" an die Länder schien der Durchbruch des Grünen Bandes geglückt. Im Juni 2006 knüpfte jedoch der Haushaltsausschuss des Bundes die Übertragung der Flächen an die Übernahme von Personalkosten für Bundesförster. In der Folge verzögerten intensive Verhandlungen zwischen den beteiligten Ministerien sowie Naturschutzverbänden die Errichtung des Grünen Bandes erheblich.
Erst am 9. November 2008 unterzeichneten Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus und der Leiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Dirk Kühnau, die erste Vereinbarung zur Übertragung der relevanten Bundesflächen an die Länder im Grenzlandmuseum Teistungen. Thüringen erhielt damit 3.800 ha Biotopflächen. Ein erstes großes Teilstück des Grünen Bandes war endgültig gesichert.

 

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8. Ausblick

Mit den Projekten Grünes Band Deutschland und Europa ist die Transformation des tödlichen eisernen Vorhangs in einen einzigartigen Lebensraumverbund gelungen. Es ist ein lebendiges und erfahrbares Naturdenkmal entstanden, das in einigen Modellregionen zunehmend touristisch erschlossen wird.
Im Dezember des Jahres 2011 stellten Dr. Liana Geidezis (BUND) und Dr. Kai Frobel (BUND) das Projekt Grünes Band Europa dem Umweltausschuss des europäischen Parlamentes vor. Es besteht die Hoffnung, dass sich aus dem Grünen Band Europa ein Leuchtturmprojekt für das vereinte Europa entwickeln kann. Auch mit der Ausweisung des Grünen Bandes als bundesdeutsches Naturmonument wäre dem Projekt gedient. Eine wichtige Qualitätssteigerung des Schutzgebietsstatus und der damit verbundenen Schutzinstrumente wäre zudem die Anmeldung des Grünen Bandes auf europäischer Ebene zum UNESCO Weltnatur- und Kulturerbe.
Das Grüne Band Europa bietet die Chance, neben dem geeinten Wirtschafts- und Währungsraum auf europäischer Ebene einen gemeinsamen Naturraum von internationaler Bedeutung zu verankern. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Werbeslogan des Grünen Bandes "Grenzen trennen - Natur verbindet" auch in weiteren Ländern durchsetzen kann.

 

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Verantwortlich für diesen Erinnerungsort: Martin Geilhufe

 

Online seit 2012

 

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Empfohlene Zitierweise: Martin Geilhufe, Erinnerungsort "Das Grüne Band", URL: http://www.umweltunderinnerung.de/index.php/kapitelseiten/oekologische-zeiten/96-das-gruene-band.