Das Naturdenkmal
Kapitelübersicht - Geschützte Natur - Das Naturdenkmal
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Wege der Erinnerung
Verwandte ThemenAlexander von Humboldt, Blaue Blume, Der Romantische Rhein, Laufenburger Stromschnellen, Knechtsand, Lüneburger Heide, Reichsnaturschutzgesetz
LiteraturHans-Werner Frohn, Friedemann Schmoll (Hg.), Natur und Staat. Die Geschichte des staatlichen Naturschutzes in Deutschland 1906-2006, Bonn 2006.
Anette Lenzing, Der Begriff des Naturdenkmals in Deutschland, in: Gartenkunst 15 (2003), S. S. 4-27.
Reinhard Piechocki, Stichwort Naturdenkmal, in: Naturwissenschaftliche Rundschau, 59 (2006), H. 4, S. 233-234.
Friedemann Schmoll, Erinnerung an die Natur. Die Geschichte des Naturschutzes im deutschen Kaiserreich, Frankfurt a.M. 2004.
Fußnoten[1] Alexander von Humboldt, Reise in die Äquinoktial-Gegenden des Neuen Kontinents. Herausgegeben von Ottmar Ette, 1. Bd., Frankfurt a. M. 1991, S. 623.
[4] Heinrich Burckhardt, Säen und Pflanzen nach forstlicher Praxis. Handbuch der Holzerziehung. Vierte verbesserte Auflage, Hannover 1870 [1855], S. 478.
[6] Z.B. Alfred Jentzsch, Nachweis der beachtenswerten und zu schützenden Bäume, Sträucher und erratischen Blöcke in der Provinz Ostpreußen, Königsberg 1900; Hugo Conwentz, Forstbotanisches Merkbuch. Nachweis der beachtenswerten und zu schützenden urwüchsigen Sträucher, Bäume und Bestände im Königreich Preußen. Westpreußen, Berlin 1900; Wilhelm Heering, Forstbotanisches Merkbuch. Nachweis der beachtenswerten und zu schützenden urwüchsigen Sträucher, Bäume und Bestände im Königreich Preußen. Schleswig-Holstein, Berlin 1906; Bemerkenswerte Bäume im Großherzogtum Hessen in Wort und Bild. Herausgegeben vom Großherzoglichen Ministerium der Finanzen, Abteilung für Forst- und Kameralverwaltung, Darmstadt 1904; Emil Schlieckmann, Westfalens bemerkenswerte Bäume. Ein Nachweis hervorragender Bäume und Waldbestände, Bielefeld 1904; Friedrich Stützer, Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild, München 1900; Königliche Württembergische Forstdirektion (Hg.): Schwäbisches Baumbuch, Stuttgart 1911.
[7] Gottfried Keller, Das verlorene Lachen, in Ders.: Die Leute von Seldwyla. Zweiter Band, Basel 1978, S. 264f.
[8] Hugo Conwentz, Forstbotanisches Merkbuch. Nachweis der beachtenswerten und zu schützenden urwüchsigen Sträucher, Bäume und Bestände im Königreich Preußen. Westpreußen, Berlin 1900, Vorwort.
[10] Hugo Conwentz, Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung. Denkschrift, dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten überreicht, Berlin 1904; Hugo Conwentz, Die Heimatkunde in der Schule. Grundlagen und Vorschläge zur Förderung der naturgeschichtlichen und geographischen Heimatkunde in der Schule, Berlin 1904.
[11] Grundsätze für die Wirksamkeit der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen vom 22. Oktober 1906, in: Beiträge zur Naturdenkmalpflege, 1 (1910), S. 42-44.
[13] Hugo Conwentz, Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung. Denkschrift, dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten überreicht, Berlin 1904, S. 186f.
[14] Hermann Löns, Der Naturschutz und die Naturschutzphrase. Ein noch unbekannter Kampfruf von Hermann Löns, in: Der Waldfreund, 5. Jg. (1929), S. 4f.
BildnachweisAuch Bäume sind Naturdenkmale. Manchmal wehren sie sich allerdings gegen bürokratische Zuschreibungen. Aufnahme von Agnes Kneitz. |
Der organisierte Naturschutz formierte sich um 1900 zunächst unter dem Namen "Naturdenkmalpflege". Vor dem Hintergrund heutiger Naturschutzbegründungen wie Biodiversität oder Prozessschutz erscheint die Intention, einzelne Objekte wie alte Bäume und Relikte wie Findlinge als Naturdenkmale zu schützen, verkürzt und angesichts der Destruktionspotenziale menschlicher Zivilisation als unangemessen. In der Etablierungsphase des Naturschutzes standen jedoch weder komplexe ökologische Zusammenhänge noch umfassende Territorien im Mittelpunkt der Bewahrbemühungen, sondern singuläre Naturphänomene oder einzelne Tier- und Pflanzenarten, die in musealisierender Absicht vor Nutzung oder Zerstörung geschützt werden sollten. Alsbald zeigte sich, dass dieser Ansatz den Dimensionen der Naturzerstörung in der Industriemoderne nicht gerecht werden konnte. Indes spielte die Konzentration auf einzelne Naturdenkmale insbesondere für die Institutionalisierung des staatlichen Naturschutzes eine große Rolle, wie sie durch die Gründung der "Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege" 1906 in Preußen unter Leitung von Hugo Conwentz vollzogen wurde. Diese Orientierung des frühen Naturschutzes an der Kunst- und Kulturdenkmalpflege verweist auf dessen ideengeschichtliche Einbettung in den Geist der Romantik und des Historismus. Nicht nur Menschenwerk, sondern auch ohne menschliches Zutun entstandenen Naturgebilden wurde der Status des Schutz- und Bewahrenswürdigen zuerkannt. Die Vorstellung einer denkmalhaft zu schützenden Natur korrespondierte mit der Erfahrung beschleunigter historischer Prozesse, durch die eine Einbindung in eine historische Kontinuität aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verloren schien. Das Naturdenkmal als symbolisches Merkzeichen sollte in der imaginierten Überzeitlichkeit der Natur Dauerhaftigkeit entgegensetzen. Es suggerierte in der Erfahrung eines umfassenden "Vertrautheitsschwundes" (Hermann Lübbe) Kontinuität und Dauerhaftigkeit.
1. Vorgeschichte
Der Begriff "Naturdenkmal" geht im deutschen Sprachgebrauch zurück auf Alexander Humboldt. Dieser erzählte im Bericht über seine zwischen 1799 und 1804 unternommene Forschungsreise nach Süd- und Mittelamerika über den "Zamang del Guayre", einen riesenhaften Mimosenbaum in den Tälern von Aragua in Venezuela. Er beschrieb ausführlich den Baum und bestimmte dessen Sitz im kulturellen Leben der Indianer: "Die Bewohner dieser Täler, besonders die Indianer, verehren den Zamang de Guayre (...) Dieser Zamang muß ebenso alt sein wie der Drachenbaum bei Orotava. Der Anblick alter Bäume hat etwas Großartiges, Imponierendes; die Beschädigung dieser Naturdenkmäler wird daher auch in Ländern, denen es an Kunstdenkmälern fehlt, streng bestraft."[1] Ähnlich sprach er auch über die identitätsstiftende Funktion besonderer Berge für vermeintlich geschichtslose Völker oder Gruppen.
2. Forstbotanische Merkwürdigkeiten und andere Naturzeugnisse
Im Zuge der Rationalisierung der Forstwirtschaft [Link: Nachhaltige Waldwirtschaft] war in Sachsen bereits 1847 das Interesse an alten, außergewöhnlichen oder besonders seltenen Bäumen erwacht und auf eine systematische Grundlage gestellt worden. Der alsbald übliche Begriff der "forstbotanischen Merkwürdigkeit" fängt anschaulich ein, woran sich dieses Interesse entzündete. Das Etikett des "Merkwürdigen" spielte nicht etwa auf Kurioses oder Anomales an. Es zielte im wörtlichen Sinne auf den Denkmalcharakter dieser "merk-würdigen" Objekte, die aufgrund ihrer symbolischen Merkfunktion erhalten und bewahrt werden sollten. Um besonders auffällig gewachsene oder rare Baumveteranen der holzverarbeitenden Nutzung zu entziehen, sollten sie in Sachsen erfasst, vermessen und geschützt werden. Hierzu wurden Fragebögen an die Oberforstmeister des Landes versandt. Damit triumphierte das Anliegen des Schutzes über den Primat des ökonomischen Nutzens, "indem es im Interesse der Wissenschaft für angemessen gehalten wird, davon nicht nur Kenntniß zu haben, sondern auch nach Befinden für die Erhaltung seltener Exemplare das Nöthige anzuordnen."[3]
3. Hugo Conwentz und die Institutionalisierung der "Staatlichen Naturdenkmalpflege"
In seinem "Forstbotanischen Merkbuch" für Westpreußen stellte Hugo Conwentz explizit einzelne Naturdenkmale in ein übergeordnetes Schutzanliegen: „Immer mehr wird das Antlitz der Natur in unserem Vaterland, wie in anderen Ländern, durch die fortschreitende Kultur verändert. Der Boden, welcher durch das Wirken der Naturkräfte im Laufe der Zeiten hervorgebracht ist, wird von Menschenhand wesentlich umgestaltet und häufig auch ganz zerstört. (...) Soll nicht unser Volk der lebendigen Anschauung der Entwickelungsstadien der Natur gänzlich verlustig gehen, so ist es an der Zeit, die übrig gebliebenen hervorragenden Zeugen der Vergangenheit und bemerkenswerthe Gebilde der Gegenwart im Gelände aufzusuchen, kennen zu lernen und möglichst zu schützen."[8]
4. "Pritzelkram" (Hermann Löns) – Kritik an der staatlichen Naturdenkmalpflege
Die Konzeptualisierung als "Naturdenkmalpflege" macht Stärke und Schwächen des frühen Naturschutzes deutlich. Einerseits gelang mit dieser programmatischen und schutzstrategischen Orientierung eine rasche gesellschaftliche Akzeptanz der Naturschutzanliegen als Frage des gesellschaftlichen Allgemeinwohls. Die Arbeit der "Staatlichen Stelle" Preußens genoss zudem hohe internationale Anerkennung und Rezeption. Auf der anderen Seite bedeutete die Konzentration auf Einzelobjekte von vornherein eine starke Selbstbeschränkung. Im Vordergrund stand die Bewahrung von Relikten; thematisiert wurden nicht die Zusammenhänge von Ökonomie und Ökologie. Vor dem Hintergrund beschleunigten gesellschaftlichen Wandels wurde bedrohte Natur als Repräsentantin untergegangener und just hinab dämmernder historischer Zeiten wahrgenommen. Ob als "Naturdenkmal" oder als "Naturschutzgebiet" – das Bewahren der Natur folgte dem Prinzip der Musealisierung. Während Memorialinseln vergangener Naturzustände gerettet wurden, vollzog sich außerhalb dieser Enklaven ungebrochen die Entfaltung jenes industriellen Systems, das doch eigentlich als Verursacher der beklagten Natur- und Umweltschädigungen diagnostiziert worden war.
5. Das Naturdenkmal als Schutzgut und Instrument des Naturschutzes
Die enge Verschwisterung des Naturschutzes mit der Denkmalpflege wirkte auch nach dem Ersten Weltkrieg weiter. In § 150 der Weimarer Verfassung wurde der Schutz der Natur 1919 als Angelegenheit staatlicher Fürsorge verankert. Dort hieß es: "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates." Der staatliche Naturschutz firmierte noch bis 1935 als "Naturdenkmalpflege". Mit dem Erlass des Reichsnaturschutzgesetzes erfolgte auch nach außen hin die nominelle Öffnung zum gesamten Naturschutz durch die Bezeichnung "Reichstelle für Naturschutz". Auch im Reichsnaturschutzgesetz blieb das Naturdenkmal ein wichtiges Schutzgut, das kleinere Flächen und Einzelobjekte umfasste. Dies konnten geologische Phänomene (Felsgruppen, Höhlen oder Findlinge), limnologische Erscheinungen (Wasserfälle oder Quellen), zoologische oder botanische Naturdenkmale (Bibervorkommen, Fledermausquartiere, Einzelbäume, Wacholderheiden), aber auch volkskundlich-historische Zeugnisse (Gerichtslinden, Parks u.a.) sein.
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Empfohlene Zitierweise: Friedemann Schmoll, Erinnerungsort "Das Naturdenkmal", URL: http://www.umweltunderinnerung.de/index.php/kapitelseiten/geschuetzte-natur/54-das-naturdenkmal.