5. November 2014

Die vergangenen Wochen gehören zu den bewegtesten in der Geschichte dieses Projekts, und inzwischen hat sich die Situation so weit geklärt, dass ich an dieser Stelle eine Bilanz ziehen kann. Ende September gab die Deutsche Umweltstiftung bekannt, dass unser Band "Ökologische Erinnerungsorte" zum Umweltbuch des Jahres gekürt wurde. Wenig später erfuhr ich von der weniger erfreulichen Entscheidung: Das Rachel Carson Center wird dieses Projekt nicht mehr finanziell unterstützen. Das hatte sich nach diversen Mittelkürzungen in den vergangenen Jahren angebahnt - dem aufmerksamen Besucher wird das nachlassende Tempo der Fortentwicklung nicht entgangen sein -, kam aber so kurz nach der Auszeichnung des Projekts dann doch überraschend.

Die derzeitige Zahl von 46 Beiträgen wird sich in den nächsten Wochen noch etwas erhöhen. Dabei handelt es sich jedoch durchweg um seit längerem zugesagte bzw. bereits vorliegende Beiträge, die noch in redaktioneller Bearbeitung sind. Wir werden ab sofort keine weiteren Beiträge mehr einwerben und haben auch die Abstimmung über die zukünftige Entwicklung des Erinnerungsort-Projekts deaktiviert. Die Abstimmung über die präsentierten Erinnerungsorte wird hingegen weiterlaufen, wir lesen auch weiterhin Ihre Kommentare, und natürlich wird die Website online bleiben - schon deshalb, weil die Zugriffszahlen nach wie vor ermutigend sind.

Trotzdem spricht wohl etwas Wehmut aus diesen Zeilen. Es ist inzwischen etwa drei Jahre her, dass diese Website online ging, und dieser Weblaunch hatte natürlich seinen Vorlauf - das sind eine Menge Lebens- und Arbeitszeit und auch jede Menge Lernerfahrungen. Zum Beispiel wurde das Wort "Weblaunch" Teil meines aktiven Vokabulars.

Immerhin ist tröstlich, dass das Ende der finanziellen Förderung keinen Torso hinterlässt. Ob das Projekt dem selbstgesteckten Ziel gerecht wird, die Vielfalt des ökologischen Denkens in Deutschland adäquat abzubilden, mögen andere entscheiden. Aber mit knapp fünfzig Beiträgen deckt diese Website zumindest ein breites Themenspektrum ab und erlaubt einen Blick auf die historischen Hintergründe der tagespolitischen Debatte. In seinem Bestreben, die aktuelle ökologische Debatte in Deutschland als Erinnerungslandschaft zu betrachten, besitzt sie im Internet weiterhin ein Alleinstellungsmerkmal.

Das kann sich natürlich ändern - und wir würden es ganz und gar nicht bedauern. Das Projekt war ja stets als Gesprächsangebot gedacht, als ein Referenzpunkt, der eine latent schon vorhandene Debatte über ökologische Erinnerungen mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft herausarbeitet und fördert. Gesellschaftliche Diskurse sind gegen Monopolisierungsbestrebungen immun, und beim hiesigen Thema wäre schon der Versuch lächerlich. Erinnerungen sind nie festgefügt, sie wandeln sich im Laufe der Zeit, und man kann nie sicher sein, von welcher Seite der nächste Impuls kommt. Für Projekte über Erinnerungen sollte das gleiche gelten.

 

PS: Während ich diese Zeilen schreibe, explodieren in der kühlen Herbstluft von Birmingham die ersten Feuerwerkskörper. Das klingt nach einem heftigen Fall von Melancholie, hat aber mit dem Gesagten rein gar nichts zu tun. Der Grund ist ein ganz anderer: Heute ist Guy Fawkes Night. Für ein Projekt, das die Gegenwart der Geschichte diskutiert, vielleicht nicht das schlechteste Datum.