8. Mai 2014

Birmingham, meine neue Heimat, ist ein friedlicher Ort. Die Ethnien der Welt haben sich auf verschiedenen Wegen in den westlichen Midlands versammelt. Sie leben und lassen leben.

Es sei denn, die Gestapo kommt.

Passend zum 8. Mai hat eines der hiesigen Boulevard-Blätter die Geheime Staatspolizei der Nazis auf den Titel gebracht. Genauer gesagt: Dessen Kopie in den Midlands. Noch genauer: Das, was die Herausgeber im Streben nach Auflage für Gestapo-artig hielten, nach Steilvorlage von einem Lokalpolitiker.

Es geht um die Mülltrennung. Ein paar Einwohner hatten anscheinend Gras in ihren Hausmüll geschmuggelt. Daraufhin rissen Müllmänner ein paar Müllbeutel auf, um den Inhalt zu prüfen. Was wiederum einen Anruf beim nächsten Lokalpolitiker nach sich zog. Welcher seine Pflicht tat und das Thema so deftig präsentierte, wie das in diesem Land anscheinend unvermeidlich ist. Zitat, laut "Birmingham Mail": "It's like the Gestapo going through our rubbish."

Ach ja, die gute deutsche Mülltrennung. In meinem Hochhaus läuft das mit der Entsorgung folgendermaßen: Man nimmt, was man loswerden möchte, geht in einen kleinen Raum, der bis auf ein großes Rohr von der Decke bis zum Boden kahl ist. Man öffnet eine Schublade, die an dem Rohr angebracht ist, und entsorgt. Immerhin bekommt der Müll damit noch einen ordentlichen freien Fall, quasi als kleines Extra, bevor er den Rest seines Lebens auf der Kippe verbringt. Mülltrennung? Naja, mancher Müll fällt halt schneller als anderer. Und nein, Grasmulch habe ich bislang nicht entsorgt. Sowas fällt im 23. Stock halt nicht an.

Über die Öko-Bilanz ist damit freilich noch nichts gesagt. Sammeln ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Und dennoch: So eine "Müll-Rutsche" ("garbage chute" heißt das gute Stück im Original) ist nun einmal eine Einladung zur Gedankenlosigkeit. Ex und hopp. Wer forschungsmäßig drauf ist, kann unterschiedliche Geräusche notieren. Wäre das nicht eine Nummer für "Wetten dass...?" gewesen: Hundert Sorten Müll am Geräusch in der Müllrutsche erkennen? Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun, meinte Richard Wagner. Und wer weiß, ob er dabei nicht an die Mülltrennung dachte.

In unserer Londoner Wohnung ist das alles übrigens besser: ordentliche Trennung nach Plastik, Papier, Glas, Restmüll. Einschließlich Riesenlärm vom Glascontainer abends um zehn. Und in einem Wolkenkratzer ist halt auch nicht viel Platz für separate Behälter. Dennoch: Bei einem Gebäude aus dem 21. Jahrhundert hätte man sich da mal ein paar Gedanken machen können.

Was Sie, geehrte Leser, bitte nicht als Aufforderung verstehen, nun ein paar gelbe Säcke gen England zu schicken. Die passen, ordentlich gefüllt, wohl auch nicht in die Schublade.